Lexikon des NTD® und der TriPrax

Definitionen und Begriffsklärungen

Lexikon der Begriffe des Neuen Triadischen Denkens® (NTD) und der Triadischen Praxeologie(TriPrax).

Definitionen sind für das NTD® eine heikle Angelegenheit, weil sie immer nur einen bestimmten Geltungsbereich haben, der eigentlich mitkommuniziert werden sollte. Manche Grundannahmen über das triadische Denken treffen beispielsweise auch auf viele andere Arten des Denkens zu, aber eben nicht auf alle. Aussagen über die individuelle Praxis gelten für die individuelle Praxis und es sollte geprüft werden, ob sie sich auf die soziale Praxis übertragen lassen. Ggfs. sind Modifikationen erforderlich. Dies umsomehr als sich die Entwicklung des NTD im Fluß befindet; manche Lemma widerspiegeln einen älteren Stand der Theorieentwicklung und harren einer Anpassung. Viele Modelle sind gut geprüft, andere beruhen vorerst nur auf logischen Deduktionen.
"Die Werke sind nur gut, soweit sie bessere entstehen lassen." Alexander von Humboldt an Charles Darwin, 18. Sept. 1839
Es ist mit den Definitionen/Modellen/Programmen wie mit allen anderen tools: Ohne Anamnese und Diagnose der Anwendungssituation - also der Art der Praxis -, kein sinnvoller Einsatz. Immer gilt: 'Die Herrlichkeit solcher Haupt- und Grundbegriffe erscheint nur dem Gemüt, auf welches sie ihre unendliche Wirksamkeit ausüben, erscheint nur der Zeit, in welcher sie, ersehnt, im rechten Augenblicke hervortreten.' Goethe im 8. Buch von 'Dichtung und Wahrheit'
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Praxis, soziale =
  • eine Klasse bzw. Dimension der Praxis neben der → kulturellen Praxis und der
    → individuellen Praxis .
  • Die soziale Praxis stellt → Beziehungen zwischen mindestens zwei individuellen Praxen her. Sie schafft also immer → Strukturen.
    Natürlich ist die soziale Praxis nicht die bloße Summe individueller Praxis, vielmehr → verschränken sich die individuellen Praxen und erzeugen eine andere Qualität und Komposition der Relata.
    Die individuellen Praxen werden durch diesen Spezialfall einer Beziehung (Kopplung) zu Relata einer Relation.
  • Die soziale Praxis koordiniert die individuellen Praxen durch (gemeinsame) → Ziele, man auch von Funktionen sprechen. Sie funktionalisiert individuelle Praxis. Beziehungstheoretisch sind die Funktionen Wirkrichtungen.
  • Durch die Beziehungen/Koordination verwandeln sich die Strukturen und die Ziele der individuellen Praxen so weit, daß sie eine andere Emergenzform annehmen. Die Menschen werden zu sozialen Wesen, Rollen, Teile von Institutionen oder selbst Institutionen, soziale Kollektive usf. Die individuellen Praktiken werden durch die sozialen Praktiken, die ihrer Koordination dienen, überformt
  • Insofern erscheint die soziale Praxis als emergentes Produkt aus kommunikativen, interaktiven und kooperativen /→ Praktiken.

In der Kommunikation geht es um die Parallelverarbeitung von Informationen/das Herstellen von Reziprozität über informative Prozesse zwischen Kommunikatoren. Dazu gehört auch das Verständigen über Themen. (Der triadische Kommunikationsbegriff reduziert sich nicht auf Informationsverarbeitung sondern berücksichtigt ebenso die Vernetzungs- und die Medienspiegelungsdimension.)
Durch Interaktion werden Beziehungen zwischen sozialen Akteuren aufgebaut, gehalten und aufgelöst. Immer nehmen die Akteure unterschiedliche Positionen in - verschiedenen Arten von - Räumen ein. (Der triadische Interaktionsbegriff hat die Dimensionen: Miteinander, Gegeneinander, Nebeneinander. Auch Wettbewerb ist Interaktion.)
Jede soziale Praxis verfolgt Ziele, die nur arbeitsteilig, in Kooperation zu erreichen sind. Immer geht es um die Transformation von Dingen in Zeit und Raum durch mindestens zwei Akteure/Transformatoren. (Der triadische Kooperationsbegriff umschließt auch destruktive Kooperation!)

Die sozial-kommunikative Praxis ist eine Gattung sozialer Praxis. Der Zusatz 'kommunikativ' drückt eine Prämierung einer Dimension der Praxis bzw. einer Gattung der Praktiken aus. Der Zusatz 'sozial' macht klar, daß hier Menschen, auf welchem sozialem Emergenzniveau auch immer, als Faktoren und Kommunikatoren auftauchen. Es gibt aber auch technische oder animalische Kommunikationssysteme.
In der sozialen Praxis stellen Menschen als soziale Wesen (Kommunikatoren, Interakteure, Kooperationspartner) Beziehungen zu anderen sozialen Wesen mittels Medien her. Alle soziale Praxis ist kommunikative Praxis und braucht Parallelverarbeitung von Informationen.
In der individuellen Praxis kann der kommunikative Aspekt phasenweise verschwinden.Menschen müssen zwar immer Informationen verarbeiten, aber nicht immer kommunizieren. Aber insoweit sie ihre Qualität als Praktiker durch kommunikative Praxis erlangt haben, geht die Kommunikation mindestens als Voraussetzung und Vorphase in die Praxis ein.

Eine soziale Praxis braucht keineswegs ihre Identität in der Bewältigung von rein kommunikativen Aufgaben wie der Produktion und Verbreitung von Informationen oder der Vernetzung von Kommunikatoren zu finden. Meist dient die Kommunikation der Bewältigung ganz anderer Aufgaben: eine Feier organisieren, ein Regal zusammenbauen, eine Wahl durchführen usf. Sozialsysteme sind immer auch Kommunikationssysteme und umgekehrt. Man kann soziale Praxis also durch die Bestimmung von Kooperationsaufgaben näher charakterisieren. Gemeinsame Informationsverarbeitung kann eine solche primäre Kooperationsaufgabe sein, sie kann aber auch nur eine bloß mitlaufende, nicht fokussierte Tätigkeit sein.
In Kaufhäusern und Läden spielt bspw. die interpersonelle Kommunikation fraglos eine große Rolle, trotzdem gehen wir nicht zu einem 'Verkaufsgespräch' sondern wir gehen in ein Geschäft und kaufen etwas. Die Typisierung der Funktion der Praxis lautet Einkaufen.

Struktur sozialer Praxis
Soziale Gemeinschaften/Praxen sind homogene Gemeinschaften, insofern ihre Elemente soziale Größen, fait social sind. Sie haben es immer mit parallelen Prozessen auch mit Parallelverarbeitung von Informationen zu tun. Sie sind immer kommunikative Systeme. Das sind obligatorische Dimensionen.
Menschliche Kulturen bestehen aus inhomogenen Faktoren, wobei Natur und Technik immer relevant sind. Sie funktionieren als Ökosysteme und basieren auf Rückkopplungsschleifen.

lexikon, id941, letzte Änderung: 2023-09-24 10:06:08

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Michael Giesecke