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- Spezialfall einer → Beziehung.
Wenn die Relata einer Beziehung selbst wieder eine Beziehung sind, und die eine Beziehung rechtsgeritet ist (als von Max zu Karl)und die andere linksgerichtet (also von Karl zu Max) liet ein Verhältnis vor. Verhältnisse verlagen also mindestnes zwei Beziehungen und eine besondere Form ihrer → Koordination. Geht es um die menschliche Praxis kann man sagen:
Verhältnisse sind wechselseitige Beziehungen.
Jedes Verhalten, jede Praktik, schafft eine (basale) Beziehung. Ob diese Beziehung zu anderen Beziehungen in Beziehunge gesetzt, koodiniert, wird, ist eine andere, empirische, Frage.
Sie sind konstitutiv für jede soziale Praxis. Relationen emergieren in sozialer Praxis primär als Verhältnisse - und nicht als materielle → Medien, wie in der kulturellen Praxis oder als leiblichen Praktiken (WaDeHa), wie in der individuellen Praxis.
Anstatt von 'Verhältnissen' sprechen das NTD und die TriPrax auch von 'Interaktionsbeziehungen'.
Es gilt das Metamodell der Beziehung (ReReRi), das zwischen Relata, → Relationen und Richtungen unterscheidet.
- Während Beziehungen grundsätzlich einseitig sind, sind Verhältnisse immer wechselseitig, d.h., es gibt zwei Relationen und zwei Richtungen, eine von A nach B und eine zweite von B nach A.
Wenn eine Person eine Beziehung zu einer anderen aufnimmt, ist nicht gesagt, daß die andere Person auch eine Beziehung zu der ersteren besitzt. Haben sie ein Verhältnis, dann habe beide eine Verbindung hergestellt und beeinflussen sich wechselseitig.
Immer wenn Praktiker in Verhältnissen agieren, haben sie auch eine Beziehung. Das Umgekehrte gilt nicht.
- Auch hinsichtlich der Relata gibt es Unterschiede: Es sind immer Menschen oder vermenschlicht Dinge, Räume oder Prozesse, jedenfalls Faktoren, denen eine Energie mit Richtung auf den Menschen zugesprochen wird.
In der Praxis werden ihnen Wirkungen auf den Menschen zugeschrieben: 'Beengte Verhältnisse' haben unmittelbare Wirkungen auf den Menschen. Der Wohnraum zeigt ein Verhalten, er verhält sich zum Menschen - ähnlich, wie der Mensch zu seiner Umgebung. Es ist nicht zufällig, daß sich die Verhältnisse vom wechselseitigen Verhalten ableiten; während eine ähnlich enge Beziehung zwischen Beziehung und der Verbalform (Beziehung herstellen) nicht besteht.
Als Relata in Verhältnissen sehen sich die Menschen den Wirkungen von anderen Beziehungen ausgesetzt. Die Wirkungen des eigenen Verhaltens, der eigenen rechtsgerichteten Beziehung, werden normalerweise nicht im gleichen Maße berücksichtigt. Es wird die Richtung hin auf das menschliche Relatum prämiert.
Die TriPrax geht davon aus, daß die Menschen in der Praxis Verhältnisse - immer mehrere - zu anderen Teilen des Kosmos herstellen. Die Praxis kann also nicht nur eine Beziehung sondern auch Verhältnisse stiften. → Koordination.
NTD und TriPrax bestehen auf der Unterscheidung von drei Klassen oder Ebenen des Verhaltens bzw. der menschlichen Aktivitäten/Praktiken: individuelle, soziale und kulturelle.
In der deutschsprachigen Philosophie und Sozialwissenschaft hat seit Beginn des 19. Jhds der Verhältnisbegriff eine große Rolle gespielt, ohne daß dieser freilich explizit von einem Modell der Beziehung abgegrenzt wurde. So ist es üblich, von 'sozialen Verhältnissen' - aber eben häufig auch im gleichen Sinne von 'sozialen Beziehungen' - zu schreiben.
Ebenso bedeutsam ist der Begriff des Verhaltens für die Psychologie ("Verhalten als funktioneller Austauschprozeß zwischen dem Subjekt und den Gegenstanden der Umwelt" bei Jean Piaget (1972, S.170) und für die Ethologie (Irenäus Eibl-Eibesfeld).
Ebenso bedeutsam ist der Begriff des Verhaltens für die Psychologie ("Verhalten als funktioneller Austauschprozeß zwischen dem Subjekt und den Gegenstanden der Umwelt" bei Jean Piaget (1972, S.170) und für die Ethologie (Irenäus Eibl-Eibesfeld).
- Durch die enge Bindung des Modells der Verhältnisse an das Verhalten - und damit an die Zeit- bzw. Prozeßdimension -ergibt sich eine weitere Unterscheidung zum Beziehungsmodell: Verhältnisse müssen immer durch - in der traditionellen Terminologie - konkretes Verhalten hergestellt werden. Beziehungen sind immer schon da, sie können (nur) transformiert werden. Menschen/Praktiker stehen unabweisbar in vielen Beziehungen, ob sie sich auch immer verhalten müssen, ist eine nicht so leicht zu beantwortende Frage. Jedenfalls sind Verhältnisse an das aktive Verhalten der Menschen gebunden. Es gibt keine Verhältnisse im Kosmos ohne Beteiligung der Menschen - wohl aber unendliche Beziehungen zwischen den leblosen Dingen.
Eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Beziehungsbegriff gewinnt der Verhältnisbegriff bei Karl Marx, indem das Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital, die Produktionsverhältnisse, zur Zentralkategorie - in den ökonomischen Schriften - und die Klassenverhältnisse - in den politischen Schriften werden.
Die Schwäche der Modelle von Marx liegt letztlich darin, daß diese spezifischen Verhältnisse nicht konsequent aus einer abstrakteren Kategorie des Verhältnisses - und der Beziehung - abgeleitet werden. Diese abstraktere - und dann meist als anthropologisch - bezeichnete Ansatz findet sich in den frühen Schriften, in den sogenannten 'Philosophisch-ökonomischen Manuskripten', den 'Grundrissen' und auch in der 'Deutschen Ideologie'. Hier wird die Arbeit in einem sehr abstrakten Sinn zum Vermittlungsglied zwischen den Menschen und zwischen den Menschen und der Natur. Arbeit wird meist in dem Sinne gebraucht, wie das NTD und die TriPrax die Praktiken verwendet. Häufig wird statt von Arbeit auch von Handeln oder von Tätigkeiten geschrieben oder die Arbeit weiter zu Verhalten abstrahiert. (Ziemlich willkürliche Terminologie, die auf vage Modelle schließen läßt!) Es findet dann in der Folge einen Verengung dieses Mediums auf die Produktion bzw. auf den Klassenkampf statt. Es ist klar, daß es viele andere Arten von Praktiken bzw. von Verhalten gibt, die so nicht miterfaßt werden. Kurz um: die Abstraktionshierarchie wird ungenügend herausgearbeitet. Praktiken sind in der TriPrax ein Klassenmodelle, zu dem es auf konkretere Stufe Gattungen und Arten gibt.
- Während das Verhalten als menschliche Praktik im Prinzip wahrnehmbar ist, gibt es viele Gründe anzunehmen, daß Verhältnisse nur in der Vorstellungswelt existieren.
Auf diese Eigenart hat Marx schon in den 'Grundrissen' hingewiesen: Ein Verhältnis kann "nur durch Abstraktion eine besondre Verkörperung erhalten, selbst wieder individualisiert werden ... wie Verhältnisse überhaupt ur gedacht werden können, wenn sie fixiert werden sollen, im Unterschied zu den Subjekten die sich verhalten."(MEW 42, )S. 61
Verhältnisse werden gedacht und 'können nur als Begriffe ausgedrückt' und dann wieder in der Sprache vergegenständlicht werden. "Daß diese Allgemeinheiten und Begriffe als mysteriöse Mächte gelten, ist eine notwendige Folge der Verselbständigung der realen Verhältnisse, deren Ausdruck sie sind."(MEW 3, S. 347) Auf diesen Grundannahmen beruhen dann seine Theorien über die Abstraktion der kapitalistischen Produktions- und Klassenverhältnisse, den Tauschwert u.v.a.m.
- Insofern Verhältnisse eine Selektion aus Beziehungen sind, haben sie eine Bewertungskomponente. Sie sind wichtiger als (andere) Beziehungen. Die Hürden für das Herstellen und Aufrechthalten von Verhältnissen als wechselseitige Austauschbeziehungen sind hoch und verlangen deshalb Prämierungen.
lexikon, id1599, letzte Änderung: 2022-12-07 11:30:54