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Exkurs zu den theoretischen Hintergründen der TriPrax und des NTD®
Die Praxis als Handeln vs. die Praxis als System
Soll man bei der Beschreibung, Gestaltung oder Beratung von Organisationen, Teams und anderen größeren oder kleineren sozialen Einheiten von den handelnden Menschen ausgehen und damit Handlungstheorien prämieren oder soziale Systeme als Grundeinheit nehmen?
Dies ist eine Frage, die in den 70er Jahren in Deutschland unter breiter Aufmerksamkeit nicht nur der akademischen Öffentlichkeit diskutiert wurde. Antipoden waren damals Jürgen Habermas und Niklas Luhmann. Beiden Theoretikern war klar, daß es hier um Prämierungen geht, um eine Entscheidung, welche Heuristik für das Verständnis der Menschen und der Gesellschaft fruchtbarer ist. Beide Zugänge waren möglich, aber für die Autoren nicht gleichwertig.
Das hat wenig daran geändert, daß sich in der Folge Handlungstheoretiker und Systemtheoretiker zu Schulen, auch Beratungs- und Organisationsentwicklungsschulen zusammenschlossen und sich untereinander allerlei Fehden lieferten. Wie so oft in der Geschichte folgte auf den Dialog (Vgl. Habermas/Luhmann 1975) der Gründergeneration, die Orthodoxie der Siegelbewahrer.
Die Systemtheorie Luhmanns ist in dieser frühen Phase wesentlich eine Lehre der systematisierten Verwaltung des Sozialen. Bleibende Eckpunkte sind die Typologie der Sozialsysteme(1974d, 1975b/c; 1981b/e), die Kopplung des Sozialen an die Kommunikation(1981c,1986), die Modellierung Intersystemische Beziehungen (1981f/g), die Verwaltung der Komplexität durch Verfahren (1969), die Einführung des 'Vertrauens' als Mechanismus der Komplexitätsreduktion(1973).
Jürgen Habermas hat in seiner zweibändigen 'Theorie des kommunikativen Handelns' (1981) versucht, die Mängel von Handlungstheorien, die sich am einsamen Akteur orientieren, zugunsten von sozialem Handeln zu überwinden. Die zentrale Stelle nimmt dabei eben das kommunikative Handeln ein. Die Koordinierung individueller Handlungen mehrerer Akteure erfolgt in Kommunikationssystemen. (Vgl. Bd.I, S.369 ff mit Kritik an analytischen Handlungstheorien und M. Webers Konzept des sozialen Handelns)
Eine vergleichbar deutliche Konfrontation der beiden Schulen hat es in Amerika nicht gegeben. Das deutet sich schon bei Talcott Parsons, der Handlungs- und Systemtheorien zu verknüpfen suchte, an.
Beide Optionen sind möglich. Wenn man in den Kategorien der traditionellen Disziplinen denkt, wird der Soziologe eher zu den Systemen tendieren, der Psychologe eher zum intentional handelnden Individuum. Nach Auffassung des NTD® emergiert der Mensch aber sowohl als Individuum als auch als soziales Wesen in sozialen Systemen. Es braucht daher ein übergreifendes Konzept und das ist die Praxis. Sie kann und sollte in einem zweiten Schritt differenziert werden, schon um sozial-kommunikatives Handeln von instrumentellem zu trennen. (Differentielle Praxeologie)
Mittlerweile sind aus beiden Schulen tools hervorgegangen, die in Management und Beratung je nach den Erfordernissen - eklektizistisch, wenn man so will - angewendet werden: Man kann systemisch Fragen und im nächsten Schritt verhaltenstherapeutische Maßnahmen formulieren. Die systemische Beratung funktioniert ebenso wie eine verhaltenstherapeutische Beratung, die handlungstheoretisch fundiert ist. Was fehlt ist ein theoretisches Band, ein gemeinsames Drittes. Hierauf zielt die Theorie der Triadischen Praxis, die triadische Praxeologie (TriPrax) des NTD®.
Zu Luhmann vgl. a. Systemtheorien
und Komplexität
Habermas, Jürgen (1975): Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz. In: Habermas/Luhmann, 101-141.
Ders. (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1, Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. Bd. 2, Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt/M..
Habermas, J./Luhmann, N. (1975): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Frankfurt/M..
Luhmann, Niklas (1969): Legitimation durch Verfahren. Neuwied/Berlin.
Ders. (1973): Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Stuttgart
Ders. (1974a): Soziologische Aufklärung. Bd. 1: Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme. Opladen (4. Auflage).
Ders. (1974b): Funktionale Methode und Systemtheorie. In: Ders. (1974a).
Ders. (1974c): Reflexive Mechanismen. In: Ders. (1974a).
Ders. (1974d): Soziologie als Theorie sozialer Systeme. In: Ders. (1974a).
Ders. (1975a): Soziologische Aufklärung. Bd. 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft. Opladen.
Ders. (1975b): Interaktion, Organisation, Gesellschaft. In: Ders. (1975a).
Ders. (1975c): Einfache Sozialsysteme. In: Ders. (1975a).
Ders. (1975d): Allgemeine Theorie organisierter Sozialsysteme. In: Ders. (1975a).
Ders. (1975e): Selbstthematisierungen des Gesellschaftssystems. In: Ders. (1975a).
Ders. (1975f) Komplexität. In Ders.(1975a)
Ders. (1975g): Systemtheorie, Evolutionstheorie und Kommunikationstheorie. In: Ders. (1975a).
Ders. (1975h): Sinn als Grundbegriff der Soziologie. In: Habermas/Luhmann, 1975, 25-100.
Ders. (1975i): Systemtheoretische Argumentationen. Eine Entgegnung auf Jürgen Habermas. In: Habermas/Luhmann, 1975, 291-405.
Ders. (1981a): Soziologische Aufklärung. Bd. 3: Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen.
Ders. (1981b): Vorbemerkungen zu einer Theorie sozialer Systeme. In: Ders. (1981a).
Ders. (1981c): Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation. In: Ders. (1981a).
Ders. (1981d): Erleben und Handeln. In: Ders. (1981a).
Ders. (1981e): Schematismen der Interaktion. In: Ders. (1981a).
Ders. (1981f): Interpenetration – Zum Verhältnis personaler und sozialer Systeme. In: Ders. (1981a).
Ders. (1981g): Symbiotische Mechanismen. In: Ders. (1981a).
Ders. (1984): Soziale Systeme, Frankfurt/M.
Ders. (1986): Ökologische Kommunikation. Opladen.
Ders. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2.Bde, Frankfurt/Main.