Axiomatik




Praxissysteme als Verbindung von Mensch und Welt: Konnektive-Systemische Praxeologie

Praxissysteme als komplexe Verbindung zwischen Mensch und Kosmos/Vorstellungswelt

In der Praxis stellen die Menschen als Praktiker eine Verbindung zum Kosmos und zu ihrer Vorstellungswelt her. Diese Verbindung ist eine komplexe Relation mit einer Architektur und Grenzen zur Umwelt.
Es gelten die Triaden der → Beziehung: Relata, Relation, Richtung (ReReRi), die Spezifizierung der Relation durch die → Verbindungstriade und die abstrakte Systemtriade.

Die Praxis ist eine Beziehung und erzeugt Relationen, Relata und Wirkrichtungen.

  • 'Relation' ist eine abstrakte Bestimmung. Die Relation kann in konkreter Praxis ganz unterschiedlich emergieren. Immer stellt sie eine Verbindung (Konnexion) zwischen dem Praktiker und Teilen der Welt her. Wenn die Dynamik dieser Verbindung betont werden soll, spricht die TriPrax von Verbinden als einem Interaktionsprozeß, als Interaktionsmedium und - strukturell - als Interaktionsbeziehung.

    Für TriPrax und NTD sind die unterschiedlichen Klassen der Praktiken als Vermittlungsglieder konstitutiv: In der Praxis stellen die Menschen als Praktiker eine Beziehung zur Umwelt her. Sie nutzen dazu ihre Praktiken als Relationierungs- oder Interaktionsmedien. Die Relation kann beliebig komplex werden, viele weitere Menschen und große Technik beanspruchen.

    Konnektive Praxeologie

Die Menschen relationieren sich mit der Welt durch ihre Praktiken. Die Menschen und diejenigen Teile der Welt, die in diese sinnvolle Beziehung eingehen, werden dadurch zu Relata einer Relation.

Sie sind dabei auf andere Objekte und letztlich auch auf andere Menschen angewiesen. So wird die Relation Mensch:Kosmos immer zu einem Interaktionssystem.

Die Relation selbst ist komplex, eine Komposition aus verschiedenen Elementen und Beziehungen. Im triadischen Verständnis ist sie ein Faktor der abstrakten Beziehungstriade. Relationen können also nicht ohne Relata und Angaben über die Richtung bestimmt werden.

  • 'Richtung' ist eine abstrakte Bestimmung. Mindestens ist zu unterscheiden, ob sie einseitig von Relatum A nach B oder umgekehrt geht, oder ob sie wechselseitig gerichtet ist. Im Falle der Praxis ist sie wechselseitig. Die Richtung vom Menschen zum Kosmos wird durch Sinn definiert: Die Relation vom Menschen zu den jeweiligen Dingen des Kosmos, das können auch andere Menschen sein, soll für den Menschen Sinn machen.
    Es ist unvermeidlich, daß die Praxis in die Rolle eines Mediums kommt und relationiert. Es 'kömmt', wie Marx gesagt hätte, darauf an, daß dies sinnvoll geschieht.
    Die nicht-menschlichen Relata besitzen ebenfalls eine Wirkrichtung. Generell gilt, daß die Menschen und die Praxis dem Wandel des Kosmos unterworfen sind. Die Praxis ist nicht nur eine Beziehung, deren Relation und Richtung durch die Menschen gestaltet wird, sie ist auch ein Produkt des Kosmos und unterliegt seinem Wandel. Der Kosmos wirkt auf die Menschen und die Praxis durch den Wandel. Er tritt als Verwandler auf.
    Wird die Praxis in dieser Weise als Resultat der Wirkung bestimmter Teile des Kosmos modelliert, spricht die Triprax von kultureller Praxis.
    Es ist eine empirische Frage, welche Richtung die Oberhand bei der Bestimmung der Beziehung erhält.

    Die Menschen und diejenigen Teile der Welt, die in diese sinnvolle Beziehung eingehen, werden dadurch zu Relata einer Relation. Die Relation kann beliebig komplex werden, viele weitere Menschen und große Technik beanspruchen. Zwar kann die Richtung Mensch-Kosmos Beziehung niemals allein durch die Menschen als einen Pol der Relation bestimmt werden, aber die TriPrax geht davon aus, daß ihr Gewicht überwiegt.
    Das kann man als anthropozentrischen Kern des NTD und der TriPrax auffassen. Die Relata werden ungleich behandelt, der menschliche Faktor prämiert. Deshalb spricht die TriPrax auch vom 'Sinn der Praxis für die beteiligten Menschen/Praktiker'.
    Die Ungleichbehandlung bringt bestimmte Menschen in die Position von Subjekten und die anderen Relata in die Rolle von Objekten (oder Medien).
    Die Zentrierung der TriPrax auf den Menschen bedeutet nicht, daß der oder die anderen Faktoren einflußlos sind und daß ihre Wirkung nicht zu berücksichtigen ist. Das NTD mag nicht entscheiden, ob und ggfs. welchen Sinn die Praxis für die Objekte macht; Sinn gibt es in der TriPrax nur für die Praktiker in der menschlichen Praxis. Wohl aber untersucht und gestaltet es, Wirkungen auf die Objekte und Wirkungen der Objekte.
    Wenn Kohle gefördert und ein Ofen geheizt wird, erkundet das NTD nicht welchen "Sinn" das für die Kohle, den Ofen usf. macht, sondern es ermittelt den Sinn der Praxis für die menschlichen Subjekte. Der Einfluß der Relata Kohle und Ofen wird als deren Wirkung berücksichtigt.
    Diese asymmetrische Beschreibung der Praxis hat eine lange Tradition und immer wieder auch Kritik hervorgerufen. Sie mag berechtigt sein, wenn die Relativität der Subjekt-Objekt Konstellation unterschlagen wird. Es handelt sich hier um Positionen von Relata in Beziehungsgefügen, keine dinglichen Qualitäten. Entsprechend kann jedes beliebige menschliche Individuum sowohl als Subjekt einer Praxis als auch als Objekt auftreten. Jede Auszeichnung der Relata hat einen zeitlichen Index, er kann sich mit der Zeit ändern.

    Möglich ist die asymmetrische Architektur der Praxis letztlich, weil es zu den identitätsstiftenden Merkmalen der menschlichen Gattung gehört, daß sich ihre Glieder dezentrieren können. Menschen können sich sowohl auf die Position von Subjekten als auch auf die von Objekten stellen und zwischen diesen Positionen und den damit einhergehenden Perspektiven wechseln. 'Rollentausch' ist eine Konkretisierung dieser Fähigkeit.
    Die Praxis als sinnvolle Beziehung zwischen Subjekten und Objekten erzeugt, je erfolgreicher sie verläuft desto mehr, eine eigene Architektur und einen spezifischen Ablauf. Sie kann zu einem System werden. Zwar gehen die menschlichen Subjekte in dieses Interaktionssystem ein, aber dessen Dynamik und der Aufbau werden durch viele andere Faktoren bestimmt. Deshalb behandelt die TriPrax die Interaktionssysteme als autonomen Faktor neben den Menschen den Kosmos als Reservoir der Objekte.

  • Als Relata kommen alle Komponenten des Kosmos in Frage.
    Zum Universum stellen die Menschen durch ihre Vorstellungen eine Relation her. Die Beziehungen des Menschen zur Vorstellungswelt sind nicht der bestimmende Gegenstand dieses Buches. Insoweit wird die Praxis hier (nur) als Beziehung zwischen dem Kosmos - als dritter Sphäre der Welt - und den Menschen behandelt.
    Im Falle der Praxis muß ein Relatum den Menschen in irgendeiner Existenzform enthalten. Nur in der individuellen Praxis ist ein einzelner Mensch, eine Person das Relatum.
    Die anderen Relata können beliebige Elemente der Welt sein. Das können viele sein. Immer sind sie ebenfalls zusammengesetzt und können als komplex behandelt werden.

Relata können beliebige Elemente, auch Ebenen und (andere) Beziehungen sein.

Wenn die Relata Ebenen sind, dann haben wir hierarchische Relationen und können nach der Richtung Konkretisierungen und Abstraktionen unterscheiden.

Entsprechend hat das NTD Grundannahmen

  • über den Kosmos als Relatum einerseits und
  • den Menschen als Relatum andererseits, sowie
  • über die Interaktionspraxis als Relation und
  • über die Richtung der Beziehung.
    Es gilt das Metamodell der Praxis als triadischer Beziehung (Beziehungstriade ReReRi).
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Die Interaktionssysteme der Praxis

Die Praxis ist eine Beziehung mit den Relata Mensch und Welt. Diese Relata werden erst durch gerichtete, sinnbasierte Relationen zu Polen von Beziehungen. Als Interaktionsbeziehung ist die Relation selbst wieder aus Relata, Relationen und Richtungen aufgebaut. Sie kann komplexe Strukturen, Interaktionsstrukturen erzeugen. Deshalb spricht die TriPrax hier von Interaktionsbeziehungen und -strukturen - und da diese (externe) Beziehungen zu einer Umwelt unterhalten auch von Interaktionssystemen oder einer Interaktionspraxis. Die TriPrax unterscheidet daher zwischen Praxis und Interaktionspraxis.
Interaktionssysteme und Interaktionspraxen sind aus dem Metamodell der Praxis abgeleitete Komponenten.
Interagieren ist (nur) eine Komponente der Praxis neben dem Praktizieren und dem Transformieren. (Generalprozesse und permanente Probleme der Praxis)

Dimensionen der Interaktionspaxis

Jede Praxis führt, wenn sie erfolgreich verläuft, zu einer Begrenzung der Prozesse, der Architekturen und der Umweltbeziehungen. Sind durch die Begrenzungen stabile Zustände erreicht, wird die Praxis zu einem System. Erst passende Systembildung ermöglicht eine funktionierende Praxis.
Als System spricht das NTD eine Praxis an, die eine endliche Architektur, einen geordneten und endlichen Ablauf sowie kontrollierte Beziehungen zur Umwelt hat.

• Wenn die Praxis als Element des Kosmos betrachtet und gestaltet wird, dann besitzt sie eine dynamische Dimension, in der die Ablauf der Prozesse in der Zeit gesteuert und geregelt werden.

• Sie besitzt eine räumliche architektonische Dimension, in der Strukturen zwischen den konstitutiven Komponenten der Praxis hergestellt und stabil gehalten werden.

• Als Ding grenzt sich jede Praxis von der Umwelt ab und stellt zugleich Verbindungen zu ihr her, muß Input und Output steuern und Störungen bewältigen. Es gibt Umweltbeziehungen der Praxis und Grenzgestaltung ist ein permanentes Problem.
Es gilt das Standardmodell von Praxissystemen (3D(imensionen)-Modell): Dynamik, Architektur, Umweltbeziehung (SUB) oder in der dynamischen Version: Prozeßgestaltung, Beziehungsgestaltung, Grenzgestaltung.
Die Generalqualitäten der drei Dimensionen werden im NTD ebenfalls in triadischen Modellen festgeschrieben.

Dimensionen  der Praxissysteme
Von Praxissystemen spricht das NTD also, wenn die Praxis als mehrdimensionales Objekt aufgefaßt wird, es nicht auf die endliche architektonische - oder wie es meist heißt: die strukturelle - Dimension reduziert wird sondern die Prozeß- und Grenzgestaltung ebenso berücksichtigt wird. Die Festlegung der drei Hauptdimensionen Dynamik, Architektur und SUB im Metamodell von Praxissystemen funktioniert schon einige Jahrzehnte. Die Dimension 'Grenzgestaltung bzw. die System-Umweltbeziehungsdimension' ist in älteren Arbeiten als 'Differenzierungsdimension' bezeichnet. (Vgl. Giesecke 1988/Untersuchung institutioneller Kommunikation und Giesecke/Rappe.Giesecke 1997/Supervision als Medium) Welche Ergänzungen aus anderen Bereichen sinnvoll sind, bleibt eine offene Frage.

Die dynamische Dimension der Praxen

Die systemischer Emergenz der Praxis ist immer nur ein Zustand in einem genetischen Prozeß. In systemischen Stadium der Praxis wird der Erhalt der eigenen → Komplexität prämiert.
Für den Triadiker ist es deshalb nur eine Frage der Prämierung, ob er von der 'Praxis' oder vom 'Praxissystem' redet. Wenn es auf Schließung der Abläufe, Komponenten und die Kontrolle der Umweltbeziehungen ankommt, empfiehlt sich das Systemmodell. Die Praxis erscheint dann als Systembildungs- und Auflösungsprozeß.

Ein systemischer Zustand der Praxis hat Voraussetzungen, die in einer Konstitutionsphase, zu schaffen sind. Keine Praxis kann den relativ stabilen Zustand für immer halten und dies ist auch selten gewollt. Deshalb kann der Triadiker auch immer eine Auflösungsphase beobachten und gestalten.

Systemische Zustände sind immer nur eine (Durchgangs)Phase der Praxis.

Das NTD schlägt vor, grundsätzlich drei Phasen, Systemkonstitution, Funktionserfüllung und Auflösung des Systems anzunehmen und diese zu gestalten. Diese Prozesse lassen sich immer auch als Komplexitätsbewältigung verstehen.

Der Aufbau der Praxis: die architektonische Dimension

Um die Zwecke der Praxis zu erreichen braucht es geeignete Strukturen. In Sozialsystemen spricht man von einer Aufbauorganisation.
Durch die Wortwahl wird schon nahegelegt, daß der 'Bau' nicht als flache Struktur gedacht und gestaltet werden kann. Das NTD spricht deshalb anstatt von 'Strukturen' von der Architektur der Praxis - und sieht Strukturen als eine Kompositionsform neben der tektonischen und der eindimensionalen linearen. Erst der Interaktion dieser Beziehungsklassen emergiert eine Architektur.
Jede Praxis ist aus Elementen, Beziehungen und Ebenen komponiert. Es gilt die Komponententriade: Elemente, Beziehungen und Ebenen.

Als Elemente kommen prinzipiell alle Dinge in Frage, die in der Praxis isoliert und identifiziert werden können. Zwischen den Elementen gibt es in der triadischen Praxis funktionale Beziehungen. Was ein Element, was eine Beziehung und was eine Ebene ist, läßt sich nur in Bezug eine konkrete Praxis oder ein Modell über Typen von Praxen entscheiden. Sobald die Elemente in die Praxis einbezogen sind werden sie zu Objekten, Subjekten oder relevanten Umwelten.

Stabil werden die Architekturen der Praxis, wenn die Komponenten und Kompositionsmöglichkeiten quantitativ und qualitativ begrenzt werden. Jede Institutionalisierung von Rollen und Programmen dient dieser Stabilisierung. Jede Praxis reduziert die im Prinzip offene Kompositionen einer Praxis auf ein endliches Maß. Sie legt Anzahl und Qualitäten der Subjekte und Objekte fest und grenzt die Funktionen auf einige wenige ein, gibt sich dadurch Ziele, die in begrenzten Zeiten erreicht werden können.
Neben diesen Elementen (S, O) und Beziehungen (F) erzeugt die Praxis auch Hierarchien zwischen den Komponenten und zieht damit Ebenen in die Praxis ein. Dadurch erhält der Interaktionsraum erst seinen tektonischen Parameter und einen dreidimensionalen, architektonischen Aufbau. Eine Architektur ist - schon im Alltag - dreidimensional.

Für das NTD ist charakteristisch, daß es sich mit Strukturbeschreibungen und -gestaltungen nach dem Schema S-F-O nicht zufriedengeben kann. Es braucht dreidimensionale, eben triadische Modelle. Strukturen sind zweidimensionale Gebilde. Der Triadiker reduziert die Komplexität der Phänomen nicht auf 2 Dimensionen sondern kann mit dem triadischen Metamodell dreidimensionale Modelle bilden. Die dritte Dimension wird als tektonische beschrieben und unterscheidet i.d.R. Ebenen oder logische Typen. Sie klärt die Emergenz der Komponenten S, F, O. Dadurch entstehen auch tektonische Relationen zwischen Ebenen.

Jede Praxis vollzieht sich in Interaktionsräumen, erzeugt Interaktionsbeziehungen und schafft Architekturen.
Es gilt: Die TriPrax ist ein Relationierungs- und Interaktionsprozeß. Er führt zu Beziehungen(1D), Strukturen(2D), Architekturen (3D).
→ abstrakte Beziehungstypen

Struktur und Architektur der individuellen Praxis

Sobald die Umwelt zum Ziel der Praktiker wird, erscheint sie als Objekt in der Praxis. Ohne Objekte keine Praxis. Jede Praxis schafft Interaktionsbeziehungen zwischen ihren Subjekten, wenn es sich denn um eine soziale Praxis handelt und zwischen den Praktikern und Objekten in der individuellen Praxis, und zwar solche, die geeignet sind, angestrebte Ziele zu erreichen, von wem auch immer gesetzte Funktionen zu erfüllen.
Theoretisch sind Subjekt, Objekt und deren Relation gleichursprünglich und haben gleichen Anteil am Zustandekommen von Interaktionssystemen und den Prozessen der Praxis. Empirisch erweist sich der Anteil dieser Größen als unterschiedlich. Mal sind Funktionen vorgegeben, mal tritt das Objekt, mal das Subjekt als Katalysator der Systembildung auf. Entsprechend entstehen Disbalancen zwischen den Komponenten. Das Ausbalancieren der Gewichtung der Komponenten ist ein permanentes Problem jeder Praxis und es bestimmt die Komposition der Architektur.

Es gilt die Regel: Die individuelle menschliche Praxis läßt sich als funktionale Beziehung zwischen komplexen Subjekten und Objekten verstehen und gestalten!
Die Auswahl der Objekte hängt von den Funktionen ab, die die Praxis erfüllen soll. Wir haben also als Grundstruktur jeder individuellen Praxis die Trias Subjekt/Praktiker, Objekt/Komponente der Welt und Funktion. Es gilt die Triade der strukturellen Elemente der Praxis: S,O,F.


Das sind sehr abstrakte Bestimmungen und in jeder konkreten Praxis werden alle Komponenten qualitativ zu bestimmen sein. Das kann auch zu triadischen Beschreibungen führen. Eine bewährte triadische Modellierung eines Objekts einer Praxis ist die Unterscheidung von Person, Profession und Funktion - vor allem für die Praxis Karriereberatung (Rappe-Giesecke). Triadische Beratung


Die Faktoren sind nach Anzahl, Qualität/Emergenz und Komposition (in den Klassen der Praxis) unterschiedlich.
Alle menschliche, soziale und kulturelle Praxis stiftet Beziehungen, erzeugt Interaktionen und bringt Strukturen unterschiedlicher Größe hervor.

Grenzen und Umweltbeziehungen als 3. Dimension der Praxis

Die Praxis als Ding und endliche Komposition

Systembildung erfordert in der Praxis immer eine Begrenzung und damit ein Diskriminieren, ein Entscheiden, was dazu gehört und was nicht.
Die Interaktionszeit wird durch Zielvorgaben als Steuerungsgröße und durch Programme der Regelung begrenzt. Jede Praxis kann als kybernetisches System gestaltet werden. Jede Praxis muß die Prozesse durch Zielvorgaben/Werte steuern und Programme zur Regelung einsetzen. Sie können mehr oder weniger flexibel sein. Systembildung setzt Rückkopplungskreisläufe voraus, die Fehler immer wieder korrigieren können.
Es gilt die Regel: Jede Praxis reduziert und stabilisiert Prozesse, Architekturen und Dinge. Es geht um die Überführung von offenen in endlichen Prozesse, die Schließung von Räumen und die Auswahl von Dingen und die Erzeugung überschaubare Qualitäten. In dem Maße, in dem diese Prozesse Erfolg haben, entstehen Interaktionssysteme. → Systeme sind insoweit stabilisierte endliche Prozesse und Architekturen.

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Grenzen der Praxis

Jede Praxis steht immer als Ding und Teil des Kosmos in Beziehung zu anderen Dingen in Raum und Zeit. Die Sphäre dieser Vermittlung ist die Umwelt. Jede Praxis schafft sich ihre Umwelt und steht vor dem permanenten Problem, die Beziehung zur Umwelt zu gestalten. Auch hier geht es um Komplexitätsbewältigung: Die Quantität der Umwelten und Beziehungen muß reduziert werden, wenn die Praxis erfolgreich werden soll. Dies geschieht durch Grenzziehungen und die Reduktion der System-Umwelt-Beziehungen. Wie erfolgreich die Anstrengungen in dieser Hinsicht auch immer sein mögen, es bleibt eine offene, unendliche Umwelt.
Jede Praxis setzt Grenzen, jede Begrenzung grenzt aus und erzeugt eine Beziehung zwischen den eigenen endlichen Beständen und der offenen Umwelt.Deshalb: Systeme verknüpfen eine endliche Dynamik und Architektur mit unendlicher Umwelt. Grenzen menschlicher, sozialer und ökologischer Praxissysteme müssen gesichert werden.

  • Jede Grenze hat Grenzübergänge, weil es keine dauerhaft geschlossenen Systeme, in jedem Fall keine abgeschlossenen Praxissysteme gibt. Grenzübergänge ermöglichen den InPut und OutPut, die Zufuhr von Ressourcen und den Abfluß von Leistungen. Sie werden kontrolliert, ansonsten befinden sich die Systeme in der Auflösung - was unvermeidlich irgendwann geschieht. Die Grenzgestaltung und damit die Differenzierung der Praxis von der Umwelt schafft und sichert die Identität jeder Praxis.
  • Grenzen können sich verändern, an Umwelt- oder Systemveränderungen angepaßt werden.
  • Sobald und in dem Maße, in dem die Praxis sich eine endliche Architektur schafft, Grenzen zieht, entsteht die Aufgabe, die Beziehungen zur Umwelt zu gestalten (SUB).
    Grenzgestaltung

Es macht keinen Sinn von Systemen zu reden ohne von Grenzen. Jedes System ist sowohl geschlossen als auch stellenweise offen. Man kann nur etwas öffnen, was geschlossen ist. Der Ruf nach offenen Grenzen ist nur eine Umschreibung des Wunsches nach Abschaffung des Systems. Das kann sinnvoll sein, aber sie gelingt transparenter, wenn genau dies als Ziel formuliert wird.

TriPrax und Systemtheorie

Die Systembildung ist ein riskanter Prozeß, der häufig mißlingt und eigentlich immer hier und dort unvollständig bleibt. Und so bleiben die jeweils angestrebten Systemmodelle Ideale. Nur wenn alles gut läuft kommt es zur Gestaltschließung und zur Ausbildung von Praxissystemen, die für eine begrenzte Zeit stabil bleiben.

Nicht ein System, auch nicht das Praxissystem, ist die Zelle der triadischen Praxeologie - und des NTD - sondern die Praxis als immerwährender Prozeß. Nur phasenweise nimmt die Praxis systemische Existenz an. Während alle Systemtheorien die Schwierigkeit haben, Systembildungen und -auflösungen zu modellieren, kann die triadische Praxeologie erklären, wie es zu den Systemen kommt. Die TriPrax ist keine Systemtheorie sondern sie hat eine Systemtheorie - als subalterne Theorie.
axiomatik, id103, letzte Änderung: 2024-10-16 09:52:21

© 2024 Prof. Dr. phil. habil. Michael Giesecke